Fotografie


Tönende Stille, nichts, nur Stille, hält die Natur für mich bereit.
Tonlose Autos eilen, schemenhaft gleitend dahin.

Traurig nur, zitternd vor Kälte, fröstelnd wie ich, ein einsames Blatt.
Kein Laut dringt ans wachend’ Ohr, kein Vogel ruft, nur Ruhe ringsumher.

Doch aus den Zweigen klingt’s mir wie ein Wispern aus vergangnen Zeiten,
Als der Sommer laut tönte, aus allem, was da gedieh. 

Sitze hier und träume, träume wie’s damals im Sommer gewesen,
Ein Sommer warm und voll Lust, Lust am Dasein und auch sonst.

Eine Jahreszeit, die man niemals vergisst, sie verging und dennoch
Ist sie allgegenwärtig, als ob sie gestern erst war.

Und es raunt und flüstert fragend aus den starren Ästen und Zweigen,
Leise, sehr leise klingt’s da: Schönes Mädchen, weißt Du noch?

Und ein Lächeln verklärt mir das  Antlitz, vergessen sind Kälte
Und Schnee, und ich lehne und – denke mich träumend zurück.
                                                                                                                                                                                                                                        

© 09.2006 Hanns-Eckard Sternberg

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Man hieß sie Frieda, ihr Leben war traurig, nur kurz war’s unbeschwert.
Sie ruht schon sehr lange hier, oft lehn ich an ihrem Stein.

Trauernd mit hängend’ Blatt legt ihr die Buche Schatten aufs einsame Grab,
Auf sie und ihr totes Kind, Dummheit zerstörte sein Mal.

„Das Mädchen schläft“, so stand es schlicht und karg auf der Stele geschrieben.
Der, der es drauf geschrieben, er war nicht dort, da’s geschah.

Er hat die Kleine geliebt, sie war seine Freud, sein Ein und Alles.
Der Teich im Dorf, der war es, er hat ihm das Mädl entführt.

Entführt für immer, die Mutter konnt’ das kleine Kindlein nicht mehr retten.
Jede Hoffnung kam zu spät, leblos lag es ihr im Arm.

Sie war nur Freifrau, er von Adel, und es war Lieb’, als er sie nahm.
Sagte, schenk mir ein Mädel, dann ging er fort auf Reisen.

Noch hing sie, als heimkam er, lachend ihm an seinem so starken Hals.
Ihre Augen sagten ihm, das Erhoffte wird leben.

Da waren vergessen Mannesmutters Willkür, Abneigung und Hass.
Doch kaum fuhr er wieder fort, war die Herrin Herr im Haus.

Es war die ewig währende, zur Wahrheit gewordene Mär vom
Bösen im Innern der Frau, sie zerstörte die Eintracht.

Sie musste büßen als Magd der Mutter, denn er nahm nicht die Rechte. 
Ihr Mädl ohne Aufsicht war, das Unheil nahm seinen Lauf.

Sie hatte versagt und ihrem Mann das Liebste, Schönste genommen,
So war ihr in ihrem Gram, sie wusste nicht wie weiter.

Dort, wo die Kleine ertrunken, fand man sie eines trüben Morgens.
Sie hing am Ast über dem Ort, er hatte beide verlor’n.

© 10.2006 Hanns-Eckard Sternberg

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Still ruht der See, er schwabbert und plätschert müd und träge vor sich hin.
Kein Boot durchfurcht die Wellen, nur gespenstig graues Nichts.

Kein Glitzern erleuchtet der Wogen Krone, und Niesel tropft ins Nass,
Vermehrend dessen Fülle, Depot für wärmere Zeit.

Erster Schnee macht den Steg unter meinen Stiefeln gefährlich und glatt.
Kein Mensch auf seinen Brettern, man sitzt trocken im Warmen.

Wie anders im Sommer, wenn Sonnenstrahlen mit Schäumendem spielen,
Wenn Wind die Wogen wallen, und weiße Wolken fliehen lässt.

Er nannte sich Pierre und war ein König der windstrotzenden Segel.
Sein richtiger Name war ..., ich weiß ihn nicht zu nennen.

Wir haben gelacht, geliebt, geküsst und waren übermütig und froh,
Mit dem Wind Wette fahrend, sprühende Gischt im Gesicht.

Er fuhr ohne Abschied einfach davon und rief mir nur lachend zu:
Wir sehen uns hier wieder, komm zurück im nächsten Jahr.

Ich glaube ihm nicht und erwarte doch den da kommenden Sommer.
Es wär’ wie ein schöner Traum, denn dann käm’ des Lebens Lust.

© 11.2006 Hanns-Eckard Sternberg

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Da gab es einen, der hieß Friedrich-Karl, doch, doch, so hieß der Knabe.
Er dachte nur an Steine, und ein wenig auch an mich.

Vor jedem Grabkreuz hat er gestanden, um mir zu erklären den Sinn
Des Lebens und des Hierseins, doch mich hat’s nur gefröstelt.

Er zog mit mir über Friedhöfe und andere Stätten des Todes,
Bestaunte all die Zeichen, ging dann mit mir fein speisen.

Ihm schmeckt’ es wohl und er schnalzte mit den Lippen zur schäumend’ Molle.
In meinem Innern jedoch, zogen vorbei die Namen.

Die unendlich vielen namenlosen Namen, die lebten, lachten,
Wo sind sie hin, die vielen, es gibt sie einfach nicht mehr.

Vorbei ist ihr Wirken, vorbei sind Größe oder auch ihr Kleinsein,
Vorbei ihre einst’ge Macht, was blieb, sind nur die Namen.

Sein Auge glänzte, wenn er so sprach, sein Esprit konnt’ mich schon fangen.
Er sprach oft hastig und viel, doch mir sprach er viel zu viel. 

Zieh nur weiter, schwarzer Grufti, zieh zu Deinen Kreuzen und Steinen,
Ich lebe noch, jeh zum Schwoof, fern erst steht da mein Name.

© 10.2006 Hanns-Eckard Sternberg

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Nun sitz ich hier und schau verträumt in weite und fernere Fernen,
Bis mein Blick versinkt im Grau, sitz und denke vor mich hin.

Blicke dorthin, wohin der müde Sommer in letzter Pracht entfloh’n,
Allein mich zurücklassend, weit in den fernsten Süden.

Wo am Horizont grau sich vereint bleiernd’ Himmel mit dunklem Tann,
Standen da einst Grün und Blau, getrennt durch der Wolken Weiß?

Die bunten Farben des reifenden Sommers, wo ist geblieben
Ihre so strahlende Pracht, kann mit Tuch sie nicht ersetzen.

Hab mir erdacht im tristen Grau so manche freche Liebelei.
All die heißen Geschichten, sie war’n nur Träume im Schnee.

Nur entsprungen sind sie mir, aus der Gedankenwelt, der Phantasie,
Nicht erlebt, nur erfunden, was dachten denn Sie von mir?

Doch werd ich sicher sie erleben in kommend’ heißer Sonnenstund.
Drum sitz ich wartend im Weiß, wenn’s doch endlich Sommer wär’.

© 11.2006 Hanns-Eckard Sternberg


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